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Frecher Freitag: Der deutsche Wutbürger in Aktion

  • Autorenbild: Tanni Hslr
    Tanni Hslr
  • 31. Jan.
  • 3 Min. Lesezeit

Es folgt eine wissenschaftlich nicht belegte, aber dafür zutiefst subjektive Theorie.


Vor kurzem habe ich mit einer Freundin „kecke“ Antworten auf „mühsame“ Menschen gebrainstormt. Dabei waren wir uns nicht ganz sicher, ob wir Liebe verbreiten oder unseren verbalen Waffenschrank weiter aufrüsten wollten. Es ist ja nun in aller Munde, dass man die Dinge nicht gleich persönlich nehmen soll – dass es gereizte Individuen da draußen gibt, die gerne (bewusst oder unbewusst) projizieren und ihre Wut an einem anderen auslassen. Wir selbst geben zu, dass es uns selbst bestimmt auch schon (höchstens!) einmal passiert sein könnte.


Ich fuhr innerhalb Hamburgs (vormittags) auf meinem Drahtesel von A nach B. Frech, aufmüpfig und dreist, wie ich anscheinend bin, fuhr ich auf der Straße. (Das habe ich damals in der Grundschule beim Fahrradfahrtraining mit der Polizei gelernt). Wo liegt der Fehler? Nun, nicht unweit von mir schlängelte sich ein kurviger, von Baumwurzeln geborstener Radweg und flehte um meine Benutzung. Doch ich – auf dem Land großgeworden – hatte in meinen prägendsten Jahren gelernt, mich durch den Dschungel namens Natur zu schlagen. Und, wie ein gutes Springpferd, sprang ich eben nur so hoch, wie es nötig war.


Vielleicht hätte ich mich besser auf den deutschen Verkehrskodex vorbereiten sollen. Aber nach mehreren Monaten in Afrika war ich es einfach nicht mehr gewohnt, dass hier wegen jeder Kleinigkeit gehupt oder sich echauffiert wird. In den Großstädten Afrikas hat jedes Hupen einen triftigen Grund – etwa, weil einem sonst aus Platzmangel die Füße abgefahren werden. Und selbst dann klingt es oft liebevoller als das wütende, empörte Getröte hierzulande.

Nairobi 2024
Nairobi 2024

Die Sonne schien. Für Hamburger Verhältnisse ein seltenes, fast fragwürdiges Phänomen. Kaum Verkehr. Ein Mini Cooper mit zwei Damen – um die 65 und um die 100 –, wahrscheinlich Mutter und Tochter, näherten sich von hinten, reduzierten das Tempo, ließen das Fenster herunter und brüllten mich an: 

„KÖNNEN SIE MIR MAL SAGEN, WARUM SIE AUF DER STRAßE FAHREN UND NICHT AUF DEM FAHRRADWEG?“

Ich, leicht erschrocken, verwirrt und doch innerlich reflektiert und mir meiner „Schuld“ in gewissen Teilen bewusst – aber trotzdem trotzig –, holte tief Luft und förderte den keckesten Spruch zutage, den mein Hirn in seinen staubigen Katakomben finden konnte: „Weil ich’s kann.“

Kopfschüttelnd drückte die Dame das Gaspedal durch, um mich in ihrer Staub-(und Abgas-)Wolke zurückzulassen. Doch siehe da – keine 100 Meter weiter zwang die deutsche Straßenverkehrsordnung (kurz: StVO) sie zum Halt. Ampel: rot. Schicksal: gnadenlos.

Nun waren wir gezwungen, erneut nebeneinander (inne-)zu halten. Ich lächelte sie an. Sie – mich nicht. Die Sonne schien weiter.

Meine Brainstorm-Freundin und ich kamen zu dem Entschluss, dass – ob wir nun Liebe verteilen oder unseren verbalen Waffenschrank aufrüsten wollen – beides nicht schaden kann. Liebe kann die Welt immer gebrauchen. Und wie wünschenswert ist es bitte, dass man in Situationen, die die Welt nicht braucht, einen kecken Spruch auf Lager hat – selbst wenn man überrascht und aufgeregt ist? Unserer Meinung nach von 1-10 eine klare 12.

Denn diese eine klitzekleine Sekunde, die man gewinnt, weil das Gegenüber eine wütende Gegenreaktion fast schon gierig erwartet – in der man ruhig sagt: „Ein wenig mehr Freundlichkeit schaaaadet – Ihnen – NICHT.“ Oder: „Sie stört die Sonne auch mehr als Regen.“

Und in dieser einen gewonnenen Sekunde kann man – Hand-in-Hand mit seinem Parasympathikus – in sanften Zickzack-Bewegungen die Flucht ergreifen, über sein barbarisches, unmanierliches Verhalten nachdenken und die andere Person ihrem Fight-or-Flight-Modus überlassen.

Dies ist ein Aufruf für diebische, kecke Sprüche – für diese eine Sekunde, die wir alle kennen.

 Und ebenso ist es ein feierliches Loblied auf jene seltenen und kostbaren Freundschaften, in denen man die wahrhaft existenziellen Fragen des Lebens mit der gebotenen Ernsthaftigkeit erörtern kann – wie etwa die Frage, ob man Liebe verbreitet oder seinen verbalen Waffenschrank aufrüstet. Denn was wäre das Leben ohne Menschen, mit denen man derartige Weltbewegungen in angemessener Tiefe reflektieren kann? 

Ein fades Dasein, zweifellos.

 
 
 

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